Kreuzweg Liebfrauenkirche - 5. Station
5. Station: Der Hohe Rat
(L): Drei Keile – die Richter mit ihren hohen Hüten. Mächtige Männer. Grimmig, kritisch, mißtrauisch ist ihr Blick. Der Angeklagte: Jesus. Zwei Balken stehen für die Konfrontation vor Gericht. Der obere, beweglich, enthält die Schlußfolgerung des Hohen Rates „Du bist also der Sohn Gottes.“ Die Reaktion Jesu ist in Spiegelschrift in den unteren Balken eingraviert. Die Buchstaben wirken fast wie ausländische Schriftzeichen. Bewegt man den oberen Balken, so spiegelt sich darin die Antwort Jesu: „Ihr sagt es – ich bin es.“ Dieses Bekenntnis steht fest – ganz im wörtlichen Sinne. Daran gibt es nichts zu rütteln. Der Betrachter allerdings muss sich dieses Bekenntnis durch die Bewegung des oberen Balkens erst „er-suchen“ und er-tasten.
(V): Eigene Aktivität ist gefragt. Diese Station lädt den Betrachter ganz bewußt ein, die „richtige Einstellung“ zu finden: Wer ist Jesus für mich? Wie stehe ich zu ihm – dem Sohn Gottes? Das Bekenntnis Jesu wirft die Fragen auf mich zurück. Ich muss selbst etwas dafür tun, die Botschaft zu entziffern – muss mich in Beziehung setzen zu IHM. Jesu eigenes Bekenntnis, nicht lügnerische Aussagen anderer Zeugen, wird zum Anlaß seiner Verurteilung. Jesus bekennt sich zu seinem Vater, dessen Reich er verkündet und Wirklichkeit werden läßt. Der Titel „Sohn Gottes“ war Juden und auch Heiden im römischen Reich nicht fremd. Er erfährt aber hier eine entscheidende Umdeutung. Früher wurde er als politische Bezeichnung für die besondere Würde von Königen benutzt,jetzt wird mit der Gottessohnschaft Jesu ein exklusiver theologischer Anspruch erhoben: In Jesus, seinem Sohn, hat sich Gott endgültig auf diese Welt eingelassen und teilt auf diese Weise das Menschsein voll und ganz.
(L): „Als es Tag wurde, versammelten sich die Ältesten des Volkes, die Hohenpriester und Schriftgelehrten, also der Hohe Rat, und sie ließen Jesus vorführen. Sie sagten zu ihm: Wenn du der Messias bist, dann sag es uns! Er antwortete ihnen: Auch wenn ich es euch sage – ihr glaubt mir ja doch nicht; und wenn ich euch etwas frage, antwortet ihr nicht. Von nun an wird der Menschensohn zur Rechten des allmächtigen Gottes sitzen. Da sagten alle: Du bist also der Sohn Gottes. Er antwortete ihnen: Ihr sagt es – ich bin es. Da riefen sie: Was brauchen wir noch Zeugenaussagen? Wir haben es selbst aus seinem Mund gehört.“ (Lk 22,66-71)
(V): Herr Jesus Christus, Sohn Gottes, im Angesicht des drohenden Todes hast du dich standhaft zu deinem Vater bekannt. So hast du uns gezeigt, dass seine Liebe stärker ist als alle irdischen Mächte.
(A): Schenke uns Festigkeit und Treue im Glauben an dich – auch wenn wir viel dafür riskieren müssen. Mach uns bereit, immer wieder neu danach zu fragen und zu suchen, wer du bist. Hilf uns, andere Menschen nicht zu verurteilen, sondern zeige uns Wege der aufrichtigen Begegnung. Amen.
