Der Kreuzberg

Der Kreuzberg vor der Heilig-Kreuz-Kirche ist eine alte Bocholter Wallfahrtsstätte (Link zum historischen Teil unten). Er führt uns seit Jahrhunderten bildlich vor Augen, was alle vier Evangelien bezeugen:
Jesus wurde zusammen mit zwei weiteren Männern als Verbrecher hingerichtet. Sieht man genauer hin, ist die Szene so dargestellt, wie sie als einziger der Evangelist Lukas überliefert:

Zusammen mit Jesus wurden auch zwei Verbrecher zur Hinrichtung geführt.
Sie kamen an
den Ort, der Schädelhöhe heißt; dort kreuzigten sie ihn und die Verbrecher, den einen rechts von ihm, den andern links.
Jesus aber betete: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.
Um seine Kleider zu verteilen, warfen sie das Los.
Das Volk stand dabei und schaute zu; auch die führenden Männer verlachten ihn und sagten: Andere hat er gerettet, nun soll er sich selbst retten, wenn er der Christus Gottes ist, der Erwählte.
Auch die Soldaten verspotteten ihn; sie traten vor ihn hin, reichten ihm Essig und sagten: Wenn du der König der Juden bist, dann rette dich selbst!
Über ihm war eine Aufschrift angebracht: Das ist der König der Juden.
Einer der Verbrecher, die neben ihm hingen, verhöhnte ihn: Bist du denn nicht der Christus? Dann rette dich selbst und auch uns!
Der andere aber wies ihn zurecht und sagte: Nicht einmal du fürchtest Gott? Dich hat doch das gleiche Urteil getroffen. Uns geschieht recht, wir erhalten den Lohn für unsere Taten; dieser aber hat nichts Unrechtes getan. Dann sagte er: Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst!
Jesus antwortete ihm: Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.
(Lk 23, 32 – 43)
 
Verschiedene Reaktionen auf Jesu Leiden und Tod werden uns vom Evangelisten Lukas und durch die drei Figuren des Kreuzberges vorgestellt.
Anders als Jesus, der das Haupt geneigt hat und mit ausgestreckten Armen am Kreuz angenagelt ist, wirken die beiden angebundenen Schächer noch sehr lebendig. Sie unterscheiden sich stark in Haltung und Gesichtsausdruck, die dem bei Lukas geschilderten Verhalten entsprechen, und fordern uns auf, uns selbst zu positionieren.





Wenden wir uns wie der rechte Schächer stolz vom Leid des Menschen neben uns ab? Versuchen wir unser eigenes Leid dadurch zu bewältigen, dass wir seine Not verschlimmern, indem wir seine Hilf- und Machtlosigkeit verspotten, ihn mit Hohn überziehen und sein Festhalten an seinem Gottesglauben verächtlich machen?






Oder orientieren wir uns am Verhalten des links von Jesus Gekreuzigten? Obwohl er fixiert ist, schlägt er sich mit der Faust auf die Brust und blickt zugleich leid- und hoffnungsvoll auf den sterbenden Jesus in der Mitte: „Jesus, denk an mich …“. Er hat erkannt, dass unser aller Leben ein zerbrechliches Geschenk ist und wir Menschen verletzliche und sterbliche Wesen sind, auf Hilfe angewiesen. Er vertraut sich dem sterbenden Jesus als letzte Rettung an, der nur scheinbar seine göttliche Vollmacht eingebüßt hat.




Der Blick auf den linken Schächer kann uns Hoffnung geben, dass Gott immer an uns denkt und in Jesus besonders den Leidenden nah ist. Den Kranken hat er Gesundheit gebracht, den Vereinsamten neue Gemeinschaft ermöglicht und dem sterbenden Schächer das Paradies. Jedes Mal, wenn wir am Kreuzberg vorbei kommen, ruft uns der linke Schächer dies in Erinnerung. Auch wenn unsere Situation noch so ausweglos ist, wenn wir wie angebunden sind und mit unseren Möglichkeiten am Ende, ist Gott im sterbenden Jesus bei uns und zwar hier und sofort und für immer. Unsere Perspektive ist nicht die Hoffnungslosigkeit des Todes sondern Leben in einem grünen Garten, an den das Eichenwäldchen, die immergrünen Sträucher hinter den Kreuzen und die Blumen davor erinnern.

Gebet:
Jesus Christus, mein Erlöser.
Mehr als alle Menschen zusammen hast du Erbarmen und Liebe geübt,
hast aber auch am meisten Unrecht und Kränkung erfahren,
ohne verbittert zu sein.
Schenke uns den Geist des Erbarmens, der in dir glühte,
gib uns die Milde und Hilfsbereitschaft,
wie du sie selbst deinen Feinden erwiesen hast.
So möge sich der ewige Plan des göttlichen Willens an uns erfüllen:
die Verherrlichung des Vaters durch die Nachahmung deines Tuns
und die Ausbreitung deiner Liebe auf Erden.
Vinzenz von Paul (Vinzenzkonferenz Heilig Kreuz)



Zur Geschichte des Kreuzberges

(Ein ausführlicher Artikel von Josef Niebur zur Legende um den Einsiedler, der den Kreuzberghügel angeschüttet haben soll, zu dem, was man aus historischen Quellen über den Ursprung, die Geschichte und Bedeutung des Kreuzberges als Wallfahrtsziel heute weiß, erschien im Oster-Pfarrbrief 2019 der Pfarrei Liebfrauen, S.22-27  https://www.liebfrauen.de/artikel/upload/pfarrbrief/2019/pfarrbrief-2019-1.pdf .)

Die Kreuze und die Skulpturen der Schächer stammen aus der Zeit um 1550. Diese sind an runde Kreuzbalken gebunden. Das Kreuz Christi ist in seiner heutigen Gestalt eine qualitätvolle Steinmetzarbeit des späteren 19. Jahrhunderts. (https://www.bocholt.de/rathaus/planen-und-bauen/denkmalliste-online/buchstabe-k/ Kreuzigungsgruppe)
Der Kreuzberg ist damit sehr viel älter als die Hl.-Kreuz-Kirche, die bei ihrer Einweihung 1937 wie schon zuvor die Notkirche westlich des Königsmühlenweges ihren Namen nach dieser historischen Stätte erhielt.

Kreuzberg um 1919 (Unser Bocholt Heft 4 2002, S. 52; Stadtarchiv Bocholt)


Der Kreuzberg um 1935 (Foto des Monats August 2020, Stadtarchiv Bocholt, https://www.presse-service.de/data.aspx/static/1049661.html )

Beim Bau der Kirche war der Kreuzberg von einem Eisengitter umzäunt. Die Schauseite der Kreuze war noch nach Westen zur Stadt Bocholt und damit zum Königsmühlenweg hin ausgerichtet, der durch die Jahrhunderte hin von der Münsterstraße aus die Hauptzuwegung zur Königsmühle darstellte. Die heute „Am Kreuzberg“ genannte Verbindung zur Hochfeldstraße und die Uhlandstraße wurden erst später gebaut.

Die ab 1691 durchgeführten Karfreitagsprozessionen von der St.-Georg-Kirche zum Kreuzberg nahmen den Rückweg über die Königsmühle und die heutige Industrie- und Kreuzstraße.

Karfreitagsprozession von 1932 mit rund 7000 Teilnehmern am Bahnübergang Industriestraße, im Hintergrund die Spinnerei des TextilWerk Bocholt, LWL-Industriemuseum (Foto des Monats März 2016, Unser Bocholt Heft 2 2020, S. 10, Stadtarchiv Bocholt, http://www.presse-service.de/data.aspx/static/929208.html)

Foto: Fotoalbum Hl. Kreuz im Pfarrarchiv Liebfrauen
In der Zeit nach dem Bau der Hl.-Kreuz-Kirche konnte Pfarrer Becking „es sich dann auch vornehmen, die Umgebung der Kirche zu verschönern. Vom Kreuzberg ließ er das unansehnlich gewordene Eisengitter entfernen. Das Eichenwäldchen und den Hügel mit der Kreuzigungsgruppe ließ er von einer Bruchsteinmauer einfassen und zu den umliegenden Straßen abgrenzen […]. Auf Anregung der Stadtverwaltung wurden zu Beginn des Krieges dann noch 15 wuchtige Steinstufen angelegt, die vom Eichenwäldchen her zu den Kreuzen führten.“ (Franz J. Belting in: Unser Bocholt, Heft 4 1978, S. 26)

Bombenschäden am Kreuzberg 1942, Fotoalbum Hl. Kreuz im Pfarrarchiv Liebfrauen


Foto: Stadtarchiv Bocholt

Nach dem Bau des Kreuzbergheimes an der Münsterstraße wurden die Kreuze um 1978 restauriert und die gesamte Kreuzberganlage nach den Plänen und unter der Leitung von Wilhelm Angenendt neu gestaltet. U.a. wurden dabei die Kreuze um 100 Grad Richtung Kirche gedreht, so dass von der Kirche aus gesehen eine „großartige Platzwirkung zu dem Kalvarienberg hin“ entstand (https://www.bocholt.de/rathaus/planen-und-bauen/denkmalliste-online/buchstabe-k/ Königsmühlenweg 1 - Pfarrkirche Hl. Kreuz).
Platz vor dem Kreuzberg 1978 (Unser Bocholt, Heft 4 1978, Kirchenkalender 1979, S. 48)

- Zur Geschichte des Kreuzberges: Oster-Pfarrbrief 2019, S.22-27 (https://www.liebfrauen.de/artikel/upload/pfarrbrief/2019/pfarrbrief-2019-1.pdf)
- Foto des Monats August 2020, Stadtarchiv Bocholt (https://www.presse-service.de/data.aspx/static/1049661.html)
- Foto des Monats März 2016, Unser Bocholt Heft 2 2020, S. 10, Stadtarchiv Bocholt (http://www.presse-service.de/data.aspx/static/929208.html ),
- Kirchenkalender https://www.liebfrauen.de/artikel/artikel_view.php?id=290&title=Kirchenkalenderarchiv-Heilig-Kreuz

- Josef Niebur, „Haltet treu zum Glauben!“. Vom Werden einer Pfarrgemeinde trotz Nationalsozialismus – Heilig Kreuz, Bocholt, 1932-1946, Bocholt 1998
- Erhard Mietzner, „buten der oesterporten tegen den berch van Calvarien“. Ein Beitrag zur Geschichte des Kreuzbergs, in: Unser Bocholt, Zeitschrift für Kultur und Heimatpflege, hrsg. vom Verein für Heimatpflege Bocholt e.V., 59. Jahrgang 2008 Heft 4, S. 7-11
- Franz J. Belting, Der Kreuzberg in Bocholt. Ein geschichtlicher Rückblick anläßlich seiner Neugestaltung 1978, in: Unser Bocholt, Zeitschrift für Kultur und Heimatpflege, hrsg. vom Verein für Heimatpflege Bocholt e.V., 29. Jahrgang 1978 Heft 4, S. 23-27
- Anton Schmeddinghoff, Der Kreuzberg , in: Heimatkalender des Landkreises Borken und des Stadtkreises Bocholt, Jahrgang 1927, S.41f

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- Eingangsfotos: Patronatsfest Hl. Kreuz 2019: JB Lepping/Homepage Vinzenzkonferenz:  Vinzenzkonferenz Heilig Kreuz 
Patronatsfest 2019
- Fotos der Schächer und des Hauptkreuzes: J. Nelskamp Palmsonntag 26.03.2020 morgens ca. 10:20
- Fundstellen des Gebetes: http://www.lazaristen.at/fileadmin/pdf/vn/VN%2085.pdf und
- https://www.vinzentinerinnen-hildesheim.de/content/der-geist-macht-uns
Link zur Vinzenzkonferenz (www.vk-hl-kreuz-bocholt.de)

weiteres Foto:
Umgestaltung, Modell von Wilhelm Angenendt
Kirchenkalender 1976, S. 56

Bilder der renovierten Schächer 1978, Unser Bocholt Heft 4, 1978; Kirchenkalender 1979


































 
Veröffentlicht: 24.07.2020


 


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