Impuls am Abend

Warum lernt Gott Ägyptisch und Bokelts Platt?

Eine jüdische Legende erzählt:
„Israel, schon 400 Jahre im ägyptischen Exil, schreit und stöhnt zu Gott und bittet ihn um Befreiung. Und Gott hört ihr Schreien und will sich seinem Volk verständlich machen. Aber es gibt ein Problem. Denn nach so langer Zeit hat das Volk die göttliche Sprache, das Hebräisch, verlernt und versteht Gott nicht mehr. Was ist zu tun? Israel als Ganzes in einen Hebräisch-Kurs schicken, so wie seit 1948 im heutigen Staat Israel Einwanderer Ivrit lernen müssen?  … Aber Gott hat in dieser Legende eine bessere Idee: Er lernt Ägyptisch.“ (W. Bruners, Gottes hauchdünnes Schweigen, S.45)

Gott lernt und spricht die Sprache, die die Menschen verstehen. Wir haben in der Kirche eine Sprache gesprochen, die die Menschen nicht verstehen. Zwar haben wir die alte lateinische Kirchensprache, die eh nur wenige Menschen verstanden haben, in die Muttersprache übersetzt. Aber wir haben viele mittelalterliche Begriffe und Dogmen übernommen, die von einem veralteten Welt- und Gottesbild ausgehen. Was meint z.B. „Erlösung“, „Sünde“, „Sühne“, „Opfer“, „Erbsünde“, „Jungfrauengeburt“, „Wunder“… ? Wir brauchen eine neue Sprache, um Gott in unserer Welt zur Sprache zu bringen. Aber bevor wir glaubwürdig von Gott sprechen können, müssen wir hören, was Gott uns sagen will und lernen, wie er es sagt.

Zu den Israeliten in Ägypten hat er Ägyptisch gesprochen. Er spricht zu jedem Menschen in seiner Landes- und Muttersprache, zu den Deutschen spricht er Hochdeutsch und Plattdeutsch – und auch Bokelts Platt. Aber es gilt vom Sprechen Gottes, was beim Propheten Jesaja vom Gottesknecht gesagt ist: „Er schreit nicht und lärmt nicht und lässt seine Stimme nicht auf der Gasse erschallen.“ (42,2) Es bedarf aufmerksamer Ohren und Herzen, um im Wortgetöse seine Stimme zu vernehmen. Wir müssen Orte und Situationen aufspüren, in denen er seine Botschaft verkündet. Gott versteckt sich gerne und wir sollen ihn suchen.

Was könnte er uns in der Coronakrise sagen wollen – der Gesellschaft und mir?
Ich kann nicht glauben, dass die Pandemie eine Strafe Gottes ist – was vielleicht in früheren „Theologien“  angenommen wurde. Das passt nicht zu meinem Gottesbild. Die Seuche ist offensichtlich durch falsches Verhalten der Menschen entstanden und verbreitet worden. Das könnte uns auffordern, unseren Umgang mit der Schöpfung zu verändern. In der Hilflosigkeit, mit der wir als Einzelne und als Gesellschaft dem Geschehen ausgeliefert sind, könnte Gott uns die Gefährdetheit unseres Lebens vor Augen führen und uns fragen lassen, was für einen Sinn unser Leben hat und welche Werte wichtig sind.
In Jesus von Nazareth hat Gott in einmaliger Weise zu uns gesprochen. Er ist sein menschgewordenes Wort. Seine Worte und seine Tat-Worte lehren uns, was Gott wichtig ist: Barmherzigkeit und Hinwendung zu den Armen. Auf seine Stimme sollen wir hören.
Gott spricht alle Sprachen, von Ägyptisch bis Plattdeutsch.
Das Pfingstereignis zeigt das: „Jeder hörte sie in seiner Sprache“: Parter, Meder…Bocholter.

Goodgaon!
Hans Döink
Veröffentlicht: 28.04.2020



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