Impuls am Abend

Weil wir uns nicht ganz zu Hause fühlen…

In einem Interview über das Verhältnis von Literatur und Religion bezeichnet der Schriftteller und Literaturnobelpreisträger Heinrich Böll (1917-1985) den Menschen als Gottesbeweis. Auf die Nachfrage, wie er das meine, antwortete Böll: „Die Tatsache, dass wir alle wissen – auch wenn wir es nicht zugeben -, dass wir auf der Erde nicht zu Hause sind, nicht ganz zu Hause sind. Dass wir also noch woanders hingehören und von woanders herkommen.“ (ebd.)*

Liebe Leserinnen und Leser,
würden Sie da so ohne Weiteres unterschreiben?

Sich in seiner Haut nicht wohlfühlen oder in der Fremde nicht zu Hause fühlen, das Gefühl ist wohl vielen vertraut. Das hat oft mit bestimmten Situationen oder Bedingungen zu tun, die unser Leben erschweren, zumindest eine Zeitlang. Es kann sogar sein, dass Menschen sich in ihren eigenen vier Wänden nicht zu Hause fühlen, weil sie - wie zurzeit - soziale Kontakte schmerzlich vermissen…

Christinnen und Christen feiern heute Christi Himmelfahrt. Der auferstandene Jesus kehrt endgültig dorthin zurück, von wo er gekommen ist und wo er hingehört. Das hat er den Jüngerinnen und Jüngern schon vor seinem Leiden ein ums andere Mal versucht deutlich zu machen. Vor allem seine Abschiedsrede (Joh 13, 31-17,26) gibt davon Zeugnis. 
Aber der Abschied, das Zurücklassen geschieht nicht ohne das Aufzeigen einer Perspektive für die, die noch mehr erhoffen als das Leben auf dieser Erde. „Unsere Heimat aber ist im Himmel!“, schreibt Paulus aus einem Knast (!) an die Christengemeinde in Philippi. Und damit meint Paulus mehr als Sonne, Mond und Sterne.

Heinrich Böll hat es wahrlich nicht leicht mit „seiner“ Kirche gehabt, und sie es auch nicht unbedingt mit ihm. Aber er hat immer zu seiner Überzeugung als Christ gestanden. Und seine Aussage (s.o.) macht mir Mut, daran zu glauben, dass auch ich einmal dorthin zurückkehre, von wo ich eigentlich herkomme, „zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu Eurem Gott.“ (Joh 20,17 )

Deshalb ist dieses Fest wichtig und deshalb kann ich Heinrich Bölls Aussage auch unterschreiben. 

Ihr

Klaus Brücks
Pastoralreferent


* aus: Kuschel, Karl-Josef: Weil wir uns auf dieser Erde nicht ganz zu Hause fühlen. 12 Schriftsteller übe Religion und Literatur. München 1985. 2. Auflage, S. 64-76.
Veröffentlicht: 20.05.2020



Um Ihnen ein angenehmes Online-Erlebnis zu ermöglichen, setzen wir auf unserer Webseite Cookies ein. Durch das Weitersurfen auf www.liebfrauen.de erklären Sie sich mit der Verwendung von Cookies einverstanden. Hier erfahren Sie alles zum Datenschutz