Impuls am Abend - Neue Normalität

Immer wieder ist seit einigen Tagen von einer „neuen Normalität“ zu hören und zu lesen. Die Rückkehr zu einer „neuen Normalität“. Zum einen entnehme ich dieser Redewendung die Sehnsucht vieler Menschen nach dem Leben vor Covid 19; das sogenannte normale, eben nicht außergewöhnliche Leben. Das Leben, das ungefragt in seinen geregelten Bahnen und mit seiner Verlässlichkeit ablief: Kinder in Kita oder Schule, Eltern, Erwachsene im Beruf, junge Menschen in Ausbildung und Studium, Besuche in der Familie und Treffen mit Freunden, Spielen auf dem Spielplatz oder mit Freundinnen, Ausflüge und Kurzurlaube, Reisen und Fahrten, Handschlag, Umarmung und Küsschen, Zusammensitzen zu Konferenzen oder auf ein Glas Bier oder Wein; Kneipe, Kino, Theater und Konzert; Gottesdienst mit anderen in der Kirche…
Ich entnehme der Redewendung „neue Normalität“ aber auch, dass das gerade beschriebene normale Leben in der bekannten Weise nicht möglich sein wird. Bis zu einem Impfstoff und einer Durchimpfung der Bevölkerung wird es noch viele, viele Monate dauern; bis dahin werden Masken (MNS) und Abstandhalten weiterhin das Leben prägen und manches auch nicht möglich sein. 
Normal sind für mich Dinge oder Situationen, die sich häufig ereignen, die mir bekannt, ja vertraut sind. Da sage ich öfter „Das ist normal.“ Ein geregelter Tagesablauf zum Beispiel sorgt für eine Normalität und gewisse Verlässlichkeit. Dies erleichtert das Leben.
Die „neue Normalität“ muss meiner Ansicht nach erst noch entwickelt und gefunden werden; zudem haben wir Menschen uns nicht nur daran zu gewöhnen, sondern dies nicht mehr als außergewöhnlich, sondern als gegeben – normal - anzusehen. 

Das Leben hat immer mit Veränderung zu tun. Leben ist Veränderung! Und nur, wer bereit ist, sich zu ändern, kann sich auch treu bleiben. Manchmal sprechen Menschen von der guten alten Zeit, die bekanntlich besser gewesen sei. Erst kürzlich habe ich das aktuelle Soloprogramm des Kabarettisten Dieter Nuhr gesehen (Aufzeichnung im Fernsehen). In einem Beitrag hat er für mich sehr schön und treffend die Sinnleere dieser Redewendung „gute alte Zeiten“ offen gelegt. Man darf sich gerne an vergangene Zeiten erinnern, sich aber zugleich bewusst sein, dass das Leben in den Zeiten seine eigene Herausforderungen und Leiden hatte angesichts fehlender technischer Errungenschaften von heute und vielem mehr…Besser waren sie sicher nicht!

Zurück zu alten Zeiten gibt es nicht und hat es nie gegeben. Manche Christinnen und Christen wünschen sich ja dies gerade für das kirchliche Leben. Das wird es nicht geben. Auch diese epochale Veränderung durch die Corona-Pandemie wird an der Kirche nicht vorübergehen. Wer weiß, womöglich beschleunigt diese Krisenzeit manches, das zu verändern man sich bisher nicht getraut hat und jetzt schlichtweg geschieht. Es wäre einmal mehr lohnend auf die über zweitausendjährige Entwicklung des Christentums zu schauen und wie sich die Formen von Glaubensleben, Christsein, Gottesdienstfeier geändert haben. 

Ich sehe solchen Entwicklungen und Veränderungsprozessen gelassen entgegen. Ich baue auf ein Wort des Apostels Paulus: „Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.“ (2. Timotheusbrief 1,7)

Ich wünsche Ihnen und allen diesen Geist der Kraft und Besonnenheit.

Rafael van Straelen
Veröffentlicht: 03.05.2020



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