
Impuls zur Auferstehung - Pfr. em. Hans Döink
Der ungläubig glaubende ThomasJesus zeigt sich den Jüngern und Thomas
Thomas, der auch Didymus genannt wird, gehörte zum Kreis der Zwölf. Er war jedoch nicht dabei gewesen, als Jesus gekommen war.
Die anderen Jünger berichteten ihm: »Wir haben den Herrn gesehen!« Er erwiderte: »Erst will ich selbst die Löcher von den Nägeln an seinen Händen sehen. Mit meinem Finger will ich sie fühlen. Und ich will meine Hand in die Wunde an seiner Seite legen. Sonst glaube ich nicht!«
Acht Tage später waren die Jünger wieder beieinander. Diesmal war Thomas mit dabei. Wieder waren die Türen verschlossen. Da kam Jesus noch einmal zu ihnen. Er trat in ihre Mitte und sagte: »Friede sei mit euch!«
Dann sagte er zu Thomas: »Nimm deinen Finger und untersuche meine Hände. Strecke deine Hand aus und lege sie in die Wunde an meiner Seite. Du sollst nicht länger ungläubig sein, sondern zum Glauben kommen!« Thomas antwortete ihm: »Mein Herr und mein Gott!« Da sagte Jesus zu ihm: »Du glaubst, weil du mich gesehen hast. Glückselig sind die, die mich nicht sehen und trotzdem glauben!«
Die nachösterliche Begegnung zwischen Jesus und Thomas hat für meinen Glauben zwei wichtige Aspekte.1.Ich kann mich erinnern, dass dieser Abschnitt des Johannesevangeliums „Der ungläubige Thomas“ genannt wurde. Manchmal hört man diese Bezeichnung noch heute. In der neuen Einheitsübersetzung der Bibel steht jetzt: „Eine weitere Erscheinung Jesu und der Glaube des Thomas“. Ist Thomas ungläubig oder gläubig?
Für mich und meinen Glauben schließt das eine das andere nicht aus. Es geht nicht um ein Entweder - Oder, sondern um ein Sowohl - als -auch. In meinem Glauben gibt es auch Unglauben. Mein Glaube ist nicht so fest, als dass nicht immer wieder Fragen, Zweifel und Dunkelheiten da sind – mal mehr mal weniger. Diese Anfechtungen sind nicht immer angenehm, aber sie halten meinen Glauben lebendig. Ich glaube nicht ein- für allemal, sondern bin auf dem Weg. Ich bin ungläubig glaubend. Nur Fundamentalisten behaupten, absolut sicher zu sein. Das ist gefährlich.
2.Thomas wurde ungläubig genannt und getadelt, weil er den anderen Jüngern, die den Auferstandenen gesehen hatten, nicht glaubte. Er wollte Jesus unmittelbar sehen. Damit ist er heutigen Menschen nahe. In der Vergangenheit wurde uns der Glaube durch Eltern, Großeltern, Seelsorgern, Lehrer und andere vermittelt. Weil andere glaubten, haben auch wir geglaubt. So geht das heute nur noch selten. Heutige Menschen wollen (und sollen) nicht glauben, weil andere glauben, sondern selbst entscheiden. Sie wollen nicht mehr Autoritäten vertrauen, sondern selbst einsehen und in Freiheit entscheiden. Darin sind sie dem Apostel Thomas ähnlich. Das kann schmerzhaft für Eltern und Großeltern sein, wenn sie erleben, dass junge Menschen nicht den Glauben und die Praxis übernehmen, die für sie selbst wichtig sind.
Richard Rohr, ein amerikanischer Franziskaner, drückt das so aus: „Aber Gott hat keine Enkel. Er hat nur Kinder“. Jeder Mensch hat eine direkte Beziehung zu Gott. Die gibt es nicht aus zweiter Hand. Jeder ist gefordert, sich persönlich und frei zu entscheiden und ist für diese Glaubensentscheidung verantwortlich. Sie muss gepflegt und lebendig gehalten werden, etwa im persönlichen und gemeinschaftlichen Gebet, in der Feier der Glaubensgeheimnisse, im Austausch mit anderen, in der Zuwendung zum Nächsten. Den Glauben besitzen wir nicht ein- für allemal. Er kann verkümmern und verlorengehen. Der Journalist Sven Kuntze sagt von seinem Glauben, dass er ihn verloren habe wie einen Regenschirm und ihn jetzt schmerzhaft vermisse.
Der ungläubig glaubende Thomas kommt in der Begegnung mit Jesus zum Glauben an den Auferstandenen. Ich wünsche Ihnen, dass sie als ungläubig Glaubende in dieses Bekenntnis einstimmen können und dass Sie – wie es am Ende des Evangeliums heißt – „durch den Glauben Leben“ haben und sich – trotz Corona – des Lebens freuen.
Ihr Hans Döink