100 Jahre Liebfrauen Bocholt - Predigt von Bischof Lettmann

Wer Christ sein will, braucht dreifach Mut

Von KERSTIN STERZENBACH

BOCHOLT. Die Bänke des Gotteshauses waren schon zwanzig Minuten vor Beginn der Heiligen Messe bis in die hintersten Reihen voll besetzt. Einige Gemeindemitglieder mussten den Festgottesdienst zum 100-jährigen Bestehen der Liebfrauen-Pfarrgemeinde stehend miterleben. Bischof Reinhard Lettmann zelebrierte den Festgottesdienst gemeinsam mit Dechant Udo Diepenbrock, Pfarrer Bernhard Lütkemöller und weiteren Geistlichen. Er rief die Christen dazu auf, sich bewusst für die Werte des Evangeliums zu entscheiden. Auch Pfarrer Josef Bocktenk aus Kuba und Pater Wilhelm Deutmeyer aus Südafrika waren angereist. Das musikalische Vorprogramm versprach Klanggenuss auch während des Gottesdienstes.

Pfarrer Bernhard Lütkemöller begrüsste die Gemeindemitglieder mit einer Geschichte aus seiner Heimatgemeinde in Oelde. „Da gab es eine alte Dame. Die durfte sich zu ihrem achtzigsten Geburtstag ein neues Kleid aussuchen“, erinnerte er sich. Im Laden seien ihr jedoch lediglich Modelle in gedeckten, dunklen Farben gezeigt worden. Die aber sagten ihr nicht zu: „Das trag’ ich, wenn ich alt bin“, habe die Frau entrüstet gesagt. Und so, wie sich die Seniorin gefühlt habe, sei auch die Liebfrauen - Pfarrgemeinde. „Die ist trotz ihrer hundert Jahre jung und bunt“, meinte Lütkemöller. Bischof Reinhard Lettmann malte in seiner Predigt die Vision einer christlichen Gemeinde der Zukunft. Er erwähnte dabei drei Punkte besonders. Kirche soll nach Ansicht des obersten Hirten des Bistums Münster ein Ort sein, an dem man Jesus begegnen und in dem die Gemeinde aus den sieben Sakramenten Leben sowie Kraft schöpfen könne. Außerdem solle Kirche ein Ort sein, an dem man gerne sei. Derweil stelle sich die Frage, wie man in eine solche Gemeinde hineinkomme. „Das geht nicht mehr automatisch“, erklärte der Bischof. Christsein fordere in der Zukunft mehr und mehr eine persönliche Entscheidung. „Für jeden kommt einmal der Punkt, an dem er sagen muss ‚ich will‘“, meinte Reinhard Lettmann. Und als Christ müsse man dreifachen Mut beweisen. „Da ist der Mut zur Entscheidung, ein Leben nach den Werten des Evangeliums zu leben, der Mut zur Unterscheidung von anderen und der Mut, in die Gesellschaft hinein zu wirken“, meinte der Bischof. Salz sei unnütz, wenn es nicht salzig sei, und Sauerteig, wenn er nicht säuernd wirke, ergänzte er. Und: „Humanität ohne Divinität ist ein Torso.“ Im Klartext: Die Menschlichkeit sei allzu leicht gefährdet, wenn Gott aus dem Blickfeld gerate. Als Beispiele für eine bewusste Entscheidung für Christus nannte Reinhard Lettmann Erwachsene, die im Dom zu Münster getauft würden.
Mit Blick auf die aktuelle Politik übte Reinhard Lettmann scharfe Kritik am neuen Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin. Der behaupte, die Menschenwürde hänge von der Selbstachtung des Menschen ab. Menschen im embryonalen Stadium aber hätten die Selbstachtung nicht, so das Berliner Regierungsmitglied. „Hat er dann auch keine Menschenwürde?“, fragte Lettmann. Gerate nach dem Führungswechsel im Gesundheitsministerium jetzt auch die Vetohaltung von Andrea Fischer gegenüber therapeutischem Klonen ins Wanken? Und was bedeute das für die Alten, für Komapatienten und Behinderte? Auch auf diese Fragen vermisste der Bischof klare Antworten.
Zum Auszug spielte das Collegium Musicum. Die Gemeinde verharrte – kaum jemand ließ sich den Klanggenuss entgehen. Gleiches gilt für die Leistung der anderen Musiker, die den Gottesdienst mitgestalteten. Dazu gehörten die Choralschola, der Kirchen- und der Kinderchor Liebfrauen, die Trompeter Svenja Niehaves und Thomas Engenhorst, die Solistin Andrea Quadflieg-Völker sowie Kantorin Irmhild Abshoff. Sie spielten und sangen, dass es einem 100sten Geburtstag würdig war. Nach der Heiligen Messe lud Pfarrer Lütkemöller alle Gemeindemitglieder zu einem Empfang in das nahe gelegene Kolpinghaus ein.




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