Impuls am Abend - abwickeln statt weiterentwickeln

abwickeln statt weiterentwickeln
 
Die Verlautbarung der vatikanischen Glaubenskongregation, dass es nicht möglich ist, die Beziehung von gleichgeschlechtlichen Paaren (und anderer in kirchenrechtlich nicht gültiger Verbindung Lebender) zu segnen, hat in weiten Kreisen Unverständnis und große Empörung provoziert. Einzelpersonen, Gruppen und Institutionen haben protestiert. Darunter sind erfreulicherweise etliche Bischöfe. Alle betonen, dass sie in den Dialog mit der Glaubenskongregation kommen wollen. So betont u.a. auch unser Bischof, „dass es notwendig sei, die Lehre der Kirche im Dialog mit der Lebenswirklichkeit der Menschen und den Einsichten der Humanwissenschaften weiter zu entwickeln.“
 
Das ist eine wichtige und gute Absicht.
 
Ich frage mich aber, was an der Lehre, wie sie in der Verlautbarung dargelegt wird, weiterentwickelt werden kann. Wenn da steht, dass die Pläne Gottes „in die Schöpfung eingeschrieben sind und von Christus dem Herrn vollständig offenbart“ (Nr. 6 ) sind, dann frage ich, wie die Bibel hier verstanden wird. Die Schöpfungserzählungen der Bibel wollen nicht über die Entstehung der Welt und des Menschen berichten, sondern sind Hoffnungsvisionen auf die Zukunft hin. Die Entstehung und die Entwicklung der Welt folgt Naturgesetzen. Erst recht kann ich nicht einsehen, dass Jesus in diesem Punkt einen Plan Gottes vollständig geoffenbart hat. Ich glaube, hier kann man nichts weiterentwickeln. Hier muss man die Erkenntnisse der Bibelwissenschaft ernst nehmen.
 
Ähnlich ist es mit der Einschätzung der Homosexualität. Die Humanwissenschaften haben wichtige Erkenntnisse über das Wesen der Homosexualität und der Sexualität überhaupt gebracht. Ich glaube hier muss die ganze Kirche, besonders das Lehramt, zu einer neuen Wertschätzung kommen. Dazu gehört auch das Eingeständnis, dass die bisherige Einstellung und das Verhalten falsch war. Es braucht eine ganz neue Sicht und nicht nur eine Weiterentwicklung des Bestehenden. Überholte und falsche Positionen gehören aufgegeben und abgeräumt.
 
Das große Ausmaß der Empörung hat wohl auch eine Ursache in der apodiktischen Redeweise und das Fehlen jeglichen Verständnisses für die Menschen und ihre Situationen. Darüber hinaus geht es auch wohl um Macht.
 
In der deutschen Kirche und anderswo überlegen Laien und Bischöfe in großer Ernsthaftigkeit, wie man verschiedenen Menschen und ihrer Würde gerecht werden kann,  etwa beim Synodalen Weg. Da hinein kommt dieses apodiktische Nein und will die Entwicklung abschneiden.
 
Vielleicht ist es polemisch, wenn ich schon bei den ersten Worten der Verlautbarung die unausgesprochene Einschätzung der Verfasser der ganzen Frage vermute. Es heißt da: In einigen kirchlichen Bereichen verbreiten sich Projekte und Vorschläge …“. Bei „verbreiten sich“ denke ich an die Viren. Die ganze Frage scheint den Verfassern so unangenehm zu sein wie die Pandemie, die man schnell loswerden möchte. Eine solche Haltung darf nicht weiterentwickelt werden, die darf man sich nicht bieten lassen.
 
Unsere Kirche täte sicher gut daran, zuzugeben, dass manche Lehren und Verhaltensweisen der Vergangenheit unter den jetzigen Lebensumständen falsch sind. Zu sehr wird immer noch versucht, Änderungen und Wandlungen als in der unveränderlichen Tradition begründet aufzuzeigen. Manches lässt sich nicht weiterentwickeln, sondern muss abgewickelt werden.
 
Das diesjährige Misereor - Motto hat recht: Es Geht! Anders.
 
Dass diese Hoffnung sich erfüllt, hofft
 
Hans Döink
 
 
 
Ein Nachtrag:
In der Verlautbarung steht, dass die Kirche nicht die Vollmacht habe, Beziehungen homosexueller Menschen zu segnen.
Im Buch von Andreas Englisch „Der Pakt gegen den Papst“ steht auf Seite 324, dass der Papst 2015 bei dem Amerikabesuch in der Vatikanbotschaft ein homosexuelles Paar gesegnet habe. Geht doch!
 
Veröffentlicht: 24.03.2021



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