Der Hahn auf dem Kirchturm

Auf vielen Kirchentürmen ist ein Hahn zu sehen. Der Hahn vom Liebfrauenkirchturm hat wegen der Renovierungsarbeiten seinen Ort oben in der Höhe für einige Zeit verlassen. Mit den Jahren hat er einige Blessuren bekommen. Vögel haben - auf ihn sitzend - mit ihren Krallen seine Haut, die Vergoldung, abgekratzt. So wird er nun erst einmal aufgearbeitet. Er verbringt einige Zeit auf einer Beauty-Farm, wie ich es gerne sage.
Auf dem „Gefieder“ des Liebfrauenhahns, der seit 1930 von der Kirchturmspitze auf Bocholt schaut, ist Folgendes eingestanzt: „Joh. Onstein 1930 – Pastor Reinarz“ sowie weitere Buchstaben, die aber nicht lesbar sind bis auf „Raesfeld“, das zwei Mal eingraviert ist.

Es stellt sich die Frage, wie der Hahn eigentlich auf die Kirchturmspitze kommt. Neben einer Kugel oder einem Kreuz ist nämlich nicht immer, aber oft auch ein Hahn auf dem Turm einer Kirche oder Kapelle zu sehen. (Und natürlich gibt es auch noch Hähne auf Wetterfahnen, so genannte Wetterhähne.) Der erste Hinweis auf einen Hahn auf einer christlichen Kirche findet sich zu Anfang des 9. Jahrhunderts. Der Bischof von Brescia (Italien) soll 820 einen Hahn auf seinem Kirchturm angebracht haben.

Hähne, die echten Tiere, krähen früh am Morgen, beim Anbrechen des Lichtes; manchmal schon um 5 Uhr in der Frühe. Der Hahnenschrei weckt den Menschen vom Schlaf auf. Deshalb gelten Hähne als Künder des neuen Lichtes. Dies wurde auch religiös gedeutet: Der Hahn als Künder des göttlichen Lichtes, als Künder der Morgenröte. Zugleich gilt er als Mahner. In der Leidensgeschichte Christi, sagt Jesus zu Petrus: „Ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.“ (Lukasevangelium 26,34)
Ein alter Text, ein Loblied (Hymnus), das Bischof Ambrosius geschrieben hat (+ 397) erinnert an die Verleugnung Jesu durch Petrus:
„Der Fels der Kirche, Petrus, weint,
bereut die Schuld beim Hahnenschrei.
So stehet rasch vom Schlafe auf:
Der Hahn weckt jeden, der noch träumt.
Der Hahn bedrängt, die säumig sind,
der Hahn klagt die Verleugner an.“

Der Kirchturmhahn als Mahner, dass der Christ darauf bedacht sein soll, zu jeder Zeit und in jeder Lebenslage zu Christus zu stehen, sich zu IHM zu bekennen, und nicht wie Petrus aus Angst nach dem Wind zu drehen. Der Hahn auf dem Kirchturm ist also ein Mahner zu Wachsamkeit, Glaubensstärke und Bekennermut.

Der Hahn weckt den Menschen vom Schlaf auf. So ist der Kirchturmhahn auch ein Künder des neuen Gott geschenkten Lebens. Er erinnert den Menschen daran, dass er einmal vom Todesschlaf auferstehen wird. So hat der Kirchturmhahn gerade in den Kar- und Ostertagen eine besondere Bedeutung; ein Zeuge der Auferstehungshoffnung.

Vermutlich im Juni, wenn die Renovierung des Liebfrauenkirchturms sich dem Ende zuneigt und bevor das Gerüst abgebaut wird, wird der Hahn wieder seinen Platz auf der Kirchturmspitze einnehmen.

Rafael van Straelen
 
Veröffentlicht: 07.04.2020



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